Neonazi Sven Liebich ist u.a. wegen Volksverhetzung, Billigung von Straftaten, Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede angeklagt. Das Verfahren wird vor dem Amtsgericht Halle (Saale) stattfinden. Dort wollen auch Betroffene als Nebenkläger*innen dem Neonazi den Prozess machen. Alle wichtigen Informationen zum Verfahren und der Beteiligung der Betroffenen am Prozess gibt es in diesem Beitrag.

 --- Diesen Beitrag findet ihr auch auf unserem Blog zum Prozess gegen Neonazi Sven Liebich ---

Das aktuelle Verfahren vor dem Amtsgericht Halle (Saale)

Im aktuellen Verfahren vor dem Amtsgericht Halle (Saale) ist der Neonazi Sven Liebich wegen einer ganzen Reihe von Taten angeklagt, darunter Volksverhetzung, Billigung von Straftaten, Verleumdung, Beleidigung und üble Nachrede. Die Hauptverhandlung beginnt am 16. Mai 2023. Bislang ist nur ein Verhandlungstag angesetzt, es ist jedoch damit zu rechnen, dass weitere Verhandlungstage bis zur Urteilsverkündung folgen werden. Die Taten, welche Liebich durch die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) vorgeworfen werden, soll dieser in den Jahren 2019 bis 2022 begangen haben. Bis zu einer Verurteilung gilt für Sven Liebich, wie für jeden Angeklagten, die Unschuldsvermutung. 

Zu den angeklagten Taten zählt u.a. ein Auftritt des Neonazis in Halle (Saale), bei dem dieser eine Gruppe der „Omas gegen Rechts“ in krasser, sexualisierter Weise beleidigt haben soll. Wegen des Vertriebs eines Baseballschlägers mit der Aufschrift „Abschiebehelfer“ über eine von Liebich betriebene Internetseite ist er wegen Volksverhetzung angeklagt. Gleich eine ganze Reihe von Beleidigungen gegen Teilnehmer*innen eines Protests gegen eine Kundgebung des Neonazis sind als Beleidigung angeklagt. Dazu kommen mehr als elf Taten gegen eine Journalistin, die als üble Nachrede angeklagt wurden. Ebenfalls angeklagt ist Liebich, weil er einem Fahrradfahrer einen Regenschirm in die Speichen seines Rads gesteckt haben soll, so dass dieser vom Rad fiel. Immer wieder beruft sich Liebich bei seinen Versammlungen fälschlicherweise auf das Jedermann-Festnahmerecht, um Personen anzugehen, die ihn tatsächlich oder vermeintlich beleidigt haben. Die hier angeklagte Tat zeigt Parallelen zu diesen Fällen. Dazu kommen Anklagen wegen des Besitzes von Cannabis, wegen des Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz sowie Hausfriedensbruchs. 

Weiterlesen: Pressemitteilung des Amtsgericht Halle (Saale) 

Zuletzt wurde Sven Liebich wegen verschiedener Straftaten zu zehn Monaten Haft, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung verurteilt (siehe dazu unten). Wird er nun in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Halle (Saale) verurteilt, kann eine neue Gesamtstrafe gebildet werden, bei der diese Freiheitsstrafe einbezogen wird. 

Nebenklage, Adhäsionsanträge und die Rechte der Betroffenen

Die Hetze des Neonazis zieht – so zeigt es sich seit Jahren – immer weitere Hetze gegen die Betroffenen nach sich, motiviert andere extrem Rechte, ebenfalls zur Tat zu schreiten. Zunehmend auch körperlich, wenn etwa Journalist*innen durch die Anhänger*innen von Liebich bedrängt, geschubst, angespuckt und geschlagen werden. Gleichzeitig tut die Justiz in Sachsen-Anhalt bis heute nicht alles Notwendige, um diese Taten effektiv zu verfolgen. Ganz im Gegenteil stehen Betroffene immer wieder vor dem Problem, dass die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) Ermittlungsverfahren mit teils absurden Begründungen einstellt (siehe dazu auch hier)

Im Verfahren vor Gericht gibt es mit der Nebenklage für Betroffene die Möglichkeit, ihre Rechte im Verfahren selbst beziehungsweise durch einen Anwalt oder eine Anwältin wahrnehmen zu können. Nebenkläger*innen haben das Recht, in der gesamten Verhandlung anwesend sein zu können, Fragen und Anträge zu stellen und ihre rechtliche Vertretung kann einen Schlussvortrag (Plädoyer) halten. Damit trägt die Nebenklage erheblich dazu bei, dem Neonazi den Prozess zu machen und die Fragen und Anträge zu stellen, welche die Staatsanwaltschaft nicht stellt. 

Insgesamt vier Betroffene haben Anträge auf Zulassung der Nebenklage gestellt. Das Gericht hat bereits im Vorfeld die Anträge von drei Betroffenen abgelehnt, eine Nebenklage musste aus rechtlichen Gründen zugelassen werden. Zwei der Betroffenen haben entschieden, dass sie erneut Anträge auf Zulassung der Nebenklage stellen und warten noch auf die Entscheidung des Gerichts über ihre erneut gestellten Anträge. Diese beiden Betroffenen haben zudem sogenannte Adhäsionsanträge gestellt. Mit einem solchen Antrag werden zivilrechtliche Forderungen (etwa Schadensersatz und Schmerzensgeld) in einem Strafprozess gegen den Angeklagten geltend gemacht (statt in einem zusätzlichen zivilrechtlichen Verfahren). Adhäsionskläger*innen haben im Verfahren Rechte, die mit denen der Nebenklage vergleichbar sind, wenn auch nicht ganz so umfangreich. Sollte die Nebenklage erneut abgelehnt werden, können die beiden Betroffenen zumindest im Rahmen des Adhäsionsverfahrens ihre Rechte geltend machen.

Nebenklage und Adhäsionsverfahren sind wichtige Instrumente, damit Betroffene ihre Rechte im Verfahren wahrnehmen können. Einige der Betroffenen sind seit Jahren der Hetze und den Taten von Liebich und seinen Anhänger*innen ausgesetzt, etwa weil sie über deren Aktivitäten berichten und diese dokumentieren. Nebenklage und Adhäsionsverfahren kosten Geld, genauso wie die immer wieder notwendige anwaltliche Unterstützung bereits im Vorfeld, etwa wenn die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) wieder Ermittlungsverfahren einstellt. Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage unterstützt die Betroffenen in ihrem Kampf vor Gericht und ruft dazu auf zu spenden, damit Nebenklage und Adhäsionsverfahren finanziert werden können. Alle Informationen dazu finden sich hier auf unserer Seite.

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