Pressemitteilung – 14. Oktober 2019 –

Bündnis stellt nach dem Anschlag 7 politische Konsequenzen auf und fordert den Rücktritt von Innenminister Stahlknecht

Nach dem rechtsterroristischen und antisemitischen Anschlag auf die Synagoge in Halle (Saale) und den »Kiez Döner« auf der Ludwig-Wucherer-Straße in Halle mit zwei Toten erhebt Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage sieben Forderungen, darunter die Auflösung des Verfassungsschutzes und fordert den Rücktritt von Innenminister Stahlknecht. Das Bündnis organisiert seit Tagen verschiedene Formen des Gedenkens und der stillen Anteilnahme in der Stadt.

Halle gegen Rechts hat eine Liste mit politischen Konsequenzen erstellt und fordert den Rücktritt von Innenminister Stahlknecht. In den Zuständigkeitsbereich des Ministers fällt der fehlende Schutz der Synagoge und anderer jüdischer Einrichtungen in Sachsen-Anhalt, wie die Jüdische Gemeinde Halle und der Zentralrat der Juden kritisieren. Dem Innenminister ist auch grundsätzlich ein Versagen in der Arbeit gegen die extreme Rechte vorzuwerfen, seine Fraktion stimmt in relevanten Teilen mit der AfD für eine Enquete »Linksextremismus«, Mitglieder äußerten sich immer wieder rechtsoffen und griffen mit der AfD massiv den Verein Miteinander an, der u.a. die Mobile Opferberatung betreibt. Holger Stahlknecht ist Landesparteichef der CDU. Das Bündnis ist der Überzeugung, dass die jetzt nötige konsequente Neuaufstellung des Engagements gegen die extreme Rechte, Antisemitismus, Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit mit dem Minister Stahlknecht nicht möglich ist.

Halle gegen Rechts stellt sieben Forderungen auf, darunter der Schutz Jüdischer Einrichtungen und gefährdeter Personen und Objekte und die vollständige Aufklärung der Hintergründe des Anschlags. Scharf kritisiert das Bündnis die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) für Verharmlosung extrem rechter Gewalt, fordert die Abschaffung des Verfassungsschutzes und eine Stärkung zivilgesellschaftlichen Einsatzes für die Demokratie und  gegen die extreme Rechte. »Auf Inlandsgeheimdienste zu setzen ist seit Jahren gescheitert, die Landesregierung muss endlich die Zivilgesellschaft stärken und damit die wirksame Arbeit gegen Antisemitismus und die extreme Rechte«, so Katharina Hindelang, Sprecherin von Halle gegen Rechts.

Halle gegen Rechts hatte am Tag des Anschlags abends zu einem stillen Gedenken auf dem Marktplatz aufgerufen, dem sich mehrere hunderte Menschen angeschlossen hatten, ebenso wie den Gedenkveranstaltungen an den folgenden Tagen. Am Sonntag nahmen an einer durch das Bündnis mit Betroffenen aus dem angegriffenen Kiez Döner organisierten Gedenkdemonstration etwa 2.000 Menschen Teil, darunter Freunde von Kevin S und Jana L. Es wurden Israelfahnen gezeigt und Musikstücke für die Jüdische Gemeinde und die Ermordeten gespielt.

»Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage« ist ein überparteiliches Bündnis aus über 100 Einzelpersonen und mehr als 30 Organisationen aus Halle, das sich entschieden gegen die extreme Rechte, Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sowie gegen jede Diskriminierung und für Zivilcourage einsetzt. Im Jahr 2017 wurde es als »Botschafter für Demokratie und Toleranz« durch das von den Bundesministerien des Inneren und der Justiz getragene BfDT ausgezeichnet.

Forderungen von Halle gegen Rechts - Bündnis für Zivilcourage

1. Jüdische Einrichtungen müssen konsequent, durchgehend und nicht erst auf deren Anfrage hin geschützt werden und Kosten für Sicherheitstechnik vollständig und schnell durch das Land übernommen werden. Die offensichtlich unbrauchbaren Gefährdungseinschätzungen des Bundeskriminalamts müssen für alle durch rechten Terror gefährdeten Personen und Objekte durch Einschätzungen vor Ort mit den Betroffenen ersetzt werden.

 

2. Die Hintergründe des antisemitischen, rechten Terroranschlags in Halle müssen vollständig aufgeklärt werden, auch und gerade mit Blick auf etwaige Netzwerke um den Täter und dessen Radikalisierung. Die Ergebnisse müssen offengelegt werden.

 

3. Die Strafverfolgung extrem rechter Gewalt ist seit Jahren in Sachsen-Anhalt defizitär, insbesondere die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) fällt durch Verharmlosung, Fehler und fehlende Strafverfolgung negativ auf und lässt damit den Täter_innen Spielräume. Die Arbeit der Staatsanwaltschaften muss intensiviert und dringend fachlich verbessert werden, um den Verfolgungsdruck bei rechten, antisemitischen und rassistischen Straftaten zu erhöhen.

 

4. Das Misstrauen, die verweigerte Zusammenarbeit und die Angriffe auf zivilgesellschaftliches Engagement, wie sie aus der CDU Sachsen-Anhalts im Fall des Vereins Miteinander und gegenüber antirassistischen Akteuren, Initiativen gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus und gegenüber Demokratieprojekten, schwächen den Einsatz gegen die extreme Rechte und die demokratische Gesellschaft. Sie müssen beendet werden.

 

5. Anerkennung, Unterstützung und aktiven Rückhalt für zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und gegen die extreme Rechte müssen um eine dauerhafte Förderung im Bund und Land ergänzt werden. Statt reiner Projektförderung bedarf es einer kontinuierlichen Förderung, Mittel müssen aufgestockt statt gestrichen werden, neben Jugendlichen und Kindern müssen weitere Zielgruppen in den Blick genommen werden. Das Landesprogramm hat derzeit eine Fördersumme, wie sie teils einzelne Städte in anderen Bundesländern bereitstellen, es muss dringend erheblich ausgebaut werden.

 

6. Demokratieprojekte und antifaschistische Initiativen werden durch den Verfassungsschutz in Bund und Ländern kriminalisiert, gleichzeitig haben Teile des Verfassungsschutzverbundes jahrelang rechte und rechtsterroristische Strukturen finanziert, statt sie zu zerschlagen (wie die NSU-Untersuchungsausschüsse zeigen). Der Verfassungsschutz ist ein Beitrag zur Unsicherheit und gehört aufgelöst.

 

7. Die notwendige gesellschaftlich-politische Aufarbeitung nach dem Terroranschlag muss auch Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft in den Blick nehmen und die extreme Rechte und rechten Terror nicht nur über die Form, sondern den Inhalt analysieren. Es braucht eine klare Ausgrenzung extrem rechter Akteur_innen und Netzwerke wie die der faschistischen »Neuen Rechten« aus AfD, »Identitären« und dem »Institut für Staatspolitik« unweit von Halle und einen entschlossenen Kampf gegen rechts

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